EMR September 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld wird allgemein als ziemlich einzigartig definiert oder betrachtet, obwohl es eine lange Geschichte des Wandels gibt. Als jemand, der sich für die Relevanz sowohl aktueller als auch langfristiger Entwicklungen interessiert, sind wir uns den Faktoren bewusst, die in den heutigen Presseberichten und Studien nicht ausreichend berücksichtigt werden. Manchmal erinnern wir uns gerne daran, dass Preisentwicklungen – wie sie aus den in den Vereinigten Staaten verfügbaren Langzeitdaten hervorgehen – eine Geschichte des kontinuierlichen Wandels erzählen, der manchmal geringfügig, manchmal dramatisch und schwer einzuschätzen ist. Daher sollten wir uns bewusst sein, dass die Inflation ein anhaltendes Problem ist, mit dem wir uns möglicherweise nicht nur in naher Zukunft auseinandersetzen müssen.

Was lässt sich aus der US-CPI-Inflationsgraphik ableiten, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Inflationsrate in den USA für den Zeitraum von 1872 bis heute 2,37 % beträgt, mit einem Höchstwert von 17,84 % und einem Minimalwert von -10,94 %? Zu betonen ist, dass der allgemeine Durchschnittstrend leicht steigend ist, während der jüngste Trend (seit 2000) eine deutliche Verlangsamung aufweist.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Veränderungsrate in der Zeit vor 1870 deutlich höher war als in der Zeit danach. Die Grafik zeigt auch, dass die Gesamtabweichung der Inflationsrate für den Zeitraum zwischen 1980 und den frühen 1960er Jahren recht gering gewesen ist.
Der Inflationstrend seit Ende der 1970er Jahre fällt überraschend „moderat“ aus. Ohne näher auf die Inflationstrends seit Ende der 1970er Jahre einzugehen, stellen wir einen Abwärtstrend im Vergleich zum vorherigen Zeitraum fest. Der Grund dafür lässt sich nicht ohne weiteres quantifizieren, oder?
Ohne näher auf die Inflationsentwicklung in anderen Ländern und Währungen einzugehen, fassen wir zur Beantwortung der oben gestellten Frage zunächst die wichtigsten Ereignisse zusammen, die bislang einen entscheidenden Einfluss hatten und möglicherweise noch haben werden. Die folgende Liste ist zwar nicht vollständig, aber unserer Meinung nach für den aktuellen Prognosezeitraum von Bedeutung:
- Am 20. Januar 2025 wurde Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten für eine zweite, nicht aufeinanderfolgende Amtszeit vereidigt.b) Am 2. April 2025 kündigte Trump der Welt absurde Zölle an.
- Am 9. April 2025 kündigte er die Aussetzung der Zölle für einen Zeitraum von 90 Tagen an, mit Ausnahme von China.
- Am 17. April 2025 griff er den Vorsitzenden der US-Notenbank, Jerome Powell, mit der Aussage an: „Wenn er geht, wird es zu spät sein.“
- Am 8. Mai 2025 unterzeichnete er ein Handelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich.
- Am 11. Mai 2025 unterzeichneten China und die Vereinigten Staaten eine 90-tägige Aussetzung.
- Am 16. Mai 2025 stufte Moody’s das Rating der Vereinigten Staaten von „AAA” auf „Aa1” herab.
- Am 23. Mai 2025 kündigte Präsident Trump 50 % Zölle für Europa an.
- Am 21. Juni 2025 bombardieren die USA iranische Anlagen zur Urananreicherung.
- Am 8. Juli 2025 verlängerte Trump die Frist für neue Vereinbarungen bis zum 1. August 2025 (z. B. Zölle auf Kupfer in Höhe von 50 % und Zölle auf Arzneimittel in Höhe von 200 %).
- Am 7. August 2025 nahm er an der Sitzung mit einer hochrangigen Schweizer Delegation im Weissen Haus nicht teil.
- Das Treffen zwischen den Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin, am 15. August 2025 in Alaska wurde als vielversprechender Schritt in Richtung Frieden in der Ukraine angekündigt. Laut Presseberichten wurden jedoch weder ein Waffenstillstand noch eine Einladung nach Moskau bekannt gegeben. Das Treffen warf mehr Fragen auf, als es Antworten lieferte.
Nun fragen wir uns, was wir aus dem langfristigen Inflationsdiagramm der USA ableiten können, wenn wir die oben aufgeführten Entwicklungen hinsichtlich der Wirtschaftsaussichten und Finanzmarkttrends berücksichtigen.
ZWISCHEN VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT
Das derzeitige politische und wirtschaftliche Umfeld ist recht komplex, was eine Einschätzung mit hoher Wahrscheinlichkit erschwert. Selbst eine relativ einfache Analyse der Preisentwicklung zeigt, dass wir in vielen Fällen mit wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen konfrontiert gewesen sind, die schwer vorhersehbar waren. Die Preisinflation ist, wie wir alle wissen, ein anhaltendes und schwieriges Problem, mit dem wir möglicherweise nicht nur in naher Zukunft, sondern auch langfristig konfrontiert sein werden. In der Wirtschaftsliteratur haben wir bestimmte Phasen gefunden, die auf sehr ähnliche Weise begannen wie die aktuelle Situation. Die Phasen, die uns in den Sinn kommen, weisen ähnliche Ausgangspunkte und manchmal unterschiedliche Verläufe auf, die als Stufen bezeichnet werden. An dieser Stelle möchten wir vier Hauptphasen hervorheben, die die aktuellen Prognoseschwierigkeiten veranschaulichen:
- Die erste Phase könnte als eine Phase „ruhiger Anfänge und langsamer Fortschritte” definiert werden.
- Eine zweite, etwas andere Phase ist durch die „Überwindung” früherer Preisgrenzen gekennzeichnet. Die kontextuellen und deterministischen Faktoren waren Kriege und/oder Veränderungen im Regierungssystem sowie drastische Preisanstiege bei Rohstoffen wie z. B. beim Rohöl.
- Eine dritte Phase betrifft die Hypothese, dass „Preisänderungen auf Inflationserwartung zurückzuführen sind”, d. h. auf Veränderungen langfristiger Trends. Eine besondere Einschränkung betrifft die Annahme, dass Investoren glauben, dass der Trend eine Ausweitung oder Verringerung der Geldmenge erfordern könnte. In dieser Phase wird die Veränderungsrate der Geldmenge als relevanter Indikator angesehen, der zu gegebener Zeit die Annahmen einer Zunahme/Abnahme der Inflation bis zu einem gewissen Grad bestätigen würde. In diesem Zusammenhang sprechen Ökonomen von Finanzmarktinstabilität.
- Schliesslich erreicht die vierte Welle ihren Höhepunkt und bricht mit verheerender Kraft zusammen, was dramatische Folgen wie Rezessionen und politische Veränderungen nach sich zieht.
Zu beachten ist, dass jede Phase erhebliche soziale Folgen hatte und dass jede Preisentwicklung gemeinsame Wellenstrukturen unterschiedlicher Dauer und Reichweite aufwies.
Implizit „sichtbar” in der oben gezeigten Grafik sind auch die jeweiligen Auswirkungen auf die mittelfristigen Inflationsaussichten.
Sowohl in der Vergangenheit als auch heute wird es auf Länderebene soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten geben. Auch heute sollten Prognostiker die impliziten Auswirkungen auf die Vermögensallokation ernsthaft berück-sichtigen.
ENTSCHEIDUNGSFAKTOREN
An diesem Scheideweg glauben wir, dass der entscheidende Faktor für die aktuelle Prognose die inflationären Auswirkungen von Trumps fiskalischer Manie sind. Daher stimmen wir nicht mit der grossen Mehrheit der Analysten überein, die glauben, dass geldpolitische Massnahmen der vielversprechendste Weg für das Wirtschaftswachstum sind. Wir sehen nicht, wie die geldpolitischen Massnahmen der Fed oder einer anderen Zentralbank angesichts der dramatischen inflationären Auswirkungen von Trumps fiskalischer Haltung die primären deterministischen Massnahmen sein sollten.
ERWARTUNGEN
Unsere spezifischen Annahmen basieren auf folgenden Voraussetzungen:
- Wie in früheren Quartalsberichten bevorzugen wir weiterhin vor allem Investitionen in unserem Heimatmarkt, der Schweiz, gefolgt von kohärenten Investitionen in Europa und einer deutlich untergewichteten Position in den USA.
- Unsere Währungserwartungen begünstigen weiterhin den CHF und den EUR, weniger den JPY und noch weniger den USD. Wir sind besorgt über die anhaltende Abwertung des USD im Einklang mit Trumps absurder Fiskalpolitik und der „Anti-FED”-Haltung der US-Regierung.
- Wir sind nicht ganz einverstanden mit der Annahme, dass Zinssenkungen in den USA als Hauptmotor der Wirtschaftstätigkeit angesehen werden sollten. Der Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik liegt auf „Erhöhungen der Einfuhrzölle”, was die Inflationsängste schürt.
- Unserer Meinung nach werden Anleger den US-Markt meiden und stattdessen die europäischen Märkte und in geringerem Masse auch den japanischen Markt bevorzugen, um angemessen auf die absurde Politik des US-Präsidenten zu reagieren.
- An dieser Stelle fragen wir uns, ob es angebracht wäre, Aktienengagements gegenüber ihren jeweiligen Währungen in USD abzusichern. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, wir würden uns sehr über Ihre fundierte Einschätzung freuen.
Vorschläge sind willkommen.
* Mark Twain



