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TRENDWENDE BEI DEN ZINSEN?

EMR Juli 2024

Liebe Leserinnen und Leser

HALTUNG DER NOTENBANKEN

Die jüngsten Aktionen der Zentralbanken sind in der Tat erstaunlich. Am 8. Juni 2024 schrieb die Neue Zürcher Zeitung: “Es kommt selten vor, dass für einmal die Europäer den Amerikanern voraus sind” und verwies auf die Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank und der Europäischen Zentralbank. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen: Es war die Schweizerische Nationalbank, die am 21. März 2024 als erste grosse Zentralbank eine baldige Trendwende ankündigte. Die Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf 1,5 % führte zunächst zu einer Abwertung des CHF um 1 % gegenüber dem EUR. Im gleichen Zeitraum sank der CHF gegenüber dem USD um 1.2 %, während der SMI um 0.9 % zunahm. Gleichzeitig sank die Rendite der einjährigen Schweizer Staatsanleihen um mehr als 20 Basispunkte von 1,22 % auf 0.99 %. Am 21.06.2024 bestätigte die SNB die “Zinswende”, indem sie den Zinssatz nochmals um 0.5 Prozentpunkte auf 1.25 % senkte. Dieser Schritt bestätigt unsere Einschätzung – für die Schweiz –, wie wichtig Währungsänderungen sind und sein können. 

Am 8. Juni. 2024 beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) einen Kurswechsel, d.h. eine Zinssenkung. Der Leitzins wurde um 0.25 Prozentpunkte auf 4.25 % gesenkt. Die EZB folgte damit dem Beispiel der Zentralbanken Kanadas, der Schweiz und Schwedens, die die Zinsen bereits zuvor gesenkt hatten. Der US-Notenbankrat hingegen beschloss am 12. Juni 2024, eine Senkung des Leitzinses zu verschieben. Der Vorsitzende Powell kündigte an, dass die Federal Reserve die Zinssätze in ihrer derzeitigen Spanne von 5.25 % bis 5.5 % beibehalten werde. Gleichzeitig wurde die Prognose für Zinssenkungen auf nur eine im Jahr 2024 revidiert. Die Entscheidungsträger der Zentralbank stellten fest, dass es „bescheidene weitere Fortschritte“ auf dem Weg zu ihrem Inflationsziel von 2 % gegeben habe. Der Vorsitzende der Federal Reserve erklärte anlässlich der Pressekonferenz, dass die Zentralbank noch nicht die Zuversicht habe, die Zinssätze zu senken, selbst wenn die Inflation ihren Höchststand wieder erreichen würde.

Was sagen die Entwicklungen der Aktienindizes für den Zeitraum seit Ende 2021 aus? Die folgende Grafik weist auf zwei recht ähnliche Entwicklungen hin. Die erste bezieht sich auf den Zeitraum der Covid-Pandemie, die Ende 2021 bis Anfang 2022 ihren Höhepunkt erreichte, gefolgt von einer deutlichen Korrekturphase bis Ende 2022. Die zweite Phase, die sich von Ende 2022 bis 2024 erstreckt, weist eine recht ähnliche Entwicklung auf. Allerdings ist die Wachstumsrate der Aktienindizes in der zweiten Phase, insbesondere beim NDX, NASDAQ, NIKKEI und S&P500 im Vergleich zu allen anderen Indizes aufschlussreich. Welche Schlüsse man aus diesen Entwicklungen ziehen kann, ist die eigentliche Frage an dieser Stelle. Haben Sie irgendwelche Vorschläge?

Wie die Grafik implizit zeigt, ist es unmöglich zu erklären, warum die Inflation hauptsächlich durch Zinssenkungen eingedämmt werden kann. Was die Korrektur im Jahr 2022 und die anschliessende Erholung seit Anfang 2023 verursacht hat, ist die schwierige Kontextfrage.

Trotz des grassierenden Wirtschaftspessimismus haben die Aktienindizes zuletzt wieder neue Höchststände erreicht. An dieser Stelle möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf einen eher positiven Effekt lenken, die so genannte “quantitative Straffung”, ein wenig beachteter Ansatz, der eine zunehmend entscheidende Rolle an den Aktienmärkten spielt und spielen wird. Dieser Prozess wird als “Rückkäufe” bezeichnet. Unternehmen kaufen zunehmend ihre eigenen Aktien am Markt auf. Man darf sich fragen, welche Auswirkungen diese Massnahmen haben oder haben könnten? Eine erste Antwort, die einem in den Sinn kommt, ist zweifelsohne der Anstieg der Aktienkurse. Der Kauf eigener Aktien auf dem Markt spiegelt sich in höheren Gewinnen pro Aktie (EPS) wider. Diese Massnahmen deuten eindeutig auf hohe Renditen hin und veranlassen andere Marktteilnehmer zu kohärenten Massnahmen. Es ist in der Tat aufschlussreich zu wissen, wie diese Entwicklungen ablaufen. Wenn die Anzahl der Aktien auf dem Markt reduziert wird, steigt der Gewinn pro Aktie, unabhängig von den ökonomischen Erwartungen. “Knappere Aktien” sind das Gebot der Stunde.

Es gibt noch einen weiteren Vorteil: Rückkäufe sind de facto eine indirekte Form der Entlohnung der Aktionäre. Die fälligen Steuern werden bis zum Zeitpunkt der Realisierung des entsprechenden Kapitalgewinns aufgeschoben und zwar zu einem niedrigeren Steuersatz als bei Dividenden und zu einem Zeitpunkt, den der Aktionär wählen kann.

Eine weitere wichtige Botschaft betrifft die Zukunftsperspektive jenseits des grassierenden Negativismus, hinsichtlich der Inflation und der geringeren Erwartungen an die Wirtschaftstätigkeit. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Haltung nicht auch für die Bewertung der meisten grossen Technologiewerte relevant ist und sein könnte. Definieren wir diesen Zusammenhang als “quantitative Lockerung der Unternehmen!” An diesem Punkt fragen wir uns, worin der Unterschied zwischen der quantitativen Lockerung durch die Unternehmen und der quantitativen Straffung durch die Zentralbanken besteht oder bestehen sollte. Mit anderen Worten, wir fragen uns, was die Ursachen für den starken Anstieg der meisten Technologieaktien sind? Kann man von einer technologiegetriebenen quantitativen Lockerung sprechen? Im gegenwärtigen Umfeld müssen die Anleger eine klare Haltung einnehmen, denn die quantitative Straffung der Zentralbanken steht im Gegensatz zu der Zunahme der Liquidität, die den Aktionären am Markt zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Wird sich die Politik auf den Finanzmärkten gegenüber der erhöhten Liquidität durchsetzen? In diesem Zusammenhang gibt es eine interessante Antwort: Die Beträge, die die Zentralbanken aus ihren eigenen Bilanzen abziehen, fliessen durch die Fenster der Rückkaufprogramme in die Finanzmärkte!

KURZFRISTIGE EINSCHÄTZUNG

Während wir den Juli-EMR schreiben, steht ein sogenannter “Zollkrieg” auf globaler Ebene bevor. Bei der Beurteilung der möglichen Folgen der aktuellen Ereignisse werden wir an den Zollkrieg erinnert, der in der Vergangenheit auf globaler Ebene tobte. Darüber hinaus wird in der Presse berichtet, dass die USA, Japan und Südkorea zunehmend Druck auf China ausüben, um die Exporte von Halbleitertechnologie zu kontrollieren und in Schlüsselsektoren zu kooperieren. Welche Folgen dieses Verhalten für die Wirtschaft haben kann, bleibt eine schwierige Frage.

Eine erste Auswirkung betrifft den Anstieg der Preise für Elektrofahrzeuge aus China. Als Folge der kürzlich angekündigten Änderung sind die Zölle in Europa um 38 % gestiegen, zusätzlich zu den bereits geltenden 10 %. Die Erhöhung in den Vereinigten Staaten wird mit 102.5 % angegeben. Diese politische Haltung wird derzeit als “wirtschaftliche Selbstzerstörung” bezeichnet. Vergessen wir nicht, dass der Internationale Währungsfonds 2019 auf der Grundlage von Daten aus 151 Ländern des Zeitraums 1963 bis 2014 festgestellt hat, dass die Einführung von Massnahmen zur Erhöhung von Zöllen zu negativen Auswirkungen auf Produktionsvolumen und Produktivität führt!  

Angesichts der ambivalenten Aussichten verheissen die widersprüchlichen Erwartungen an der politischen Front nichts Gutes. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte man argumentieren, dass Schweizer Anleger von einem erheblichen Home Bias profitieren könnten, der hauptsächlich durch eine starke Währung bedingt ist.

Vorschläge sind willkommen.

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