EMR August 2021
Die Einführung einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen wird in OECD-Kreisen heftig diskutiert. Deshalb stellen wir uns in diesem EMR folgende Fragen: Welche Einflüsse wird die Mindeststeuer auf Produktion, Konsum und auf den internationalen Handel haben? Wird diese Steuer die Inflation antreiben? Was zeigt uns der Vergleich mit anderen Zyklen? Welche Auswirkungen sind für grosse und kleine Länder zu erwarten? Welche Anlagekategorien sind empfehlenswert?
Lagebeurteilung
Aus historischer Sicht ist es nicht überraschend, dass die meisten Kommentatoren als offensichtliche, unmittelbare Auswirkungen von Zöllen oder Quoten eine Tendenz zur Angleichung der Preise zwischen den Handelspartnern erwarten. Nun ist aufgrund von Handelshemmnissen kaum zu erwarten, dass sich die relativen Preise von Gütern in den jeweiligen Ländern in gleicher Weise entwickeln werden. Ziel dieses EMR ist es, die Auswirkungen der derzeit öffentlich diskutierten globalen Steuer von mindestens 15% zu untersuchen. Unserer Meinung nach zielen die Vorschläge darauf ab, die größten Unternehmen der Welt dazu zu zwingen, Steuern in Ländern zu zahlen, in denen sie viele Verkäufe, aber keinen physischen Hauptsitz haben. Bislang sind uns keine quantifizierten Erwartungen zu den Auswirkungen auf die Aktienkurse bekannt.
Auswirkungen auf Nachfrage und Angebot
Die eigentliche Frage lautet, welche Auswirkungen wird die Einigung einer großen Anzahl von Nationen auf die Unterstützung des US-Vorschlags (von Finanzministerin Janet Yellen) zu einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen haben? Zweifellos stellt ein solches Abkommen eine Wende im internationalen Steuerwettbewerb dar. Es ist zu erwarten, dass eine derartige Steuer die relativen Preise der betroffenen Güter bestimmen oder verändern wird. Entsprechende Auswirkungen werden für die Produktion, den Konsum und den internationalen Handel erwartet. Theoretisch ist es recht einfach, die jeweiligen Auswirkungen auf die Nachfrage- und Angebotskurven aufzuzeigen, empirisch bleibt der Versuch jedoch schwierig. Geht man davon aus, dass – theoretisch – die Menge des “spezifischen” Produkts vor der Einführung der neuen Steuer zu einem bestimmten Preis exportiert bzw. importiert wird, durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Wie wird sich dann die Mindeststeuer auswirken? Die Arbeitsannahme besagt, dass die Nachfragekurve bei einem gegebenen Preis entweder rechts der Angebotskurve liegt. Das deutet auf einen Nachfrageüberschuss und würde die Verfügbarkeit von Exporten bedeuten. Liegt die Nachfragekurve bei einem gegebenen Preis hingegen links der Angebotskurve, wird im Inland mehr von dem besteuerten Gut produziert als verbraucht, was auf die Verfügbarkeit von Exporten hindeuten würde.
Eine der Hauptschwierigkeiten in Bezug auf die Auswirkungen des globalen Mindeststeuerabkommens bezieht sich auf die unterschiedlichen Datengrundlagen, auf denen die Prozentsteuer erhoben werden soll. Wie wird sich die Steuer auf die verschiedenen Länder auswirken? Die unmittelbare Auswirkung der Global-Deal-Steuer besteht darin, dass von Land zu Land weiterhin unterschiedliche Preise gelten werden. Die Auswirkungen sind zum einen eine differenzierte Erwartungshaltung bezüglich der Inflationsrate und zum anderen eine Veränderung der Handelsbeziehungen. Die Veränderung der relativen Preise und des Handelsniveaus wird weiterhin von den jeweiligen Angebots- und Nachfrageveränderungen bestimmt, welche die Grenzraten der Transformation der Produktion in den jeweiligen Ländern definieren. Der Verlauf der Angebotskurve entspricht der Preisänderung, die notwendig ist, um eine Änderung der Angebotsmenge zu bewirken. Analog dazu gehorcht die Steigung der Nachfragekurve den gemeinschaftlichen Indifferenzkurven. Diese meine zusammenfassenden Bemerkungen sollten genügen, um die dichotomen Interpretationen zu erklären, die hinsichtlich der potenziellen Auswirkungen auf Inflation, Wirtschaftstätigkeit und Wechselkurse möglich sind. Dies ist ein Umfeld, das erhebliche Volatilität auf den Finanzmärkten übertragen kann und wird.
Wie hoch sind die Kosten der Minimum-Steuer für ein kleines Land?
Zweifellos wird die Erhöhung der vorgeschlagenen Mindeststeuer den relativen Preis des Produkts, auf das die Steuer erhoben wird, verändern. Das Ergebnis wird in erster Linie den relativen Preis der Produktion und auch des Inlandkonsums betreffen. Da ein kleines Land nur eine sehr begrenzte Macht hat, die “Terms of Trade” zu beeinflussen, ist zu erwarten, dass die Steuer einen Keil zwischen den relativen Produktionspreis und die Verbrauchererwartungen treiben wird. Das Resultat sollte eine Verringerung der Produktion und des Konsums sein.Die Besteuerung erhöht den Importpreis des Erwerbslandes und damit sollten auch die relativen Preise ändern. Nachteile wird es auch für das Exportland geben. Die Auswirkungen der vorgeschlagenen Steuer sind sehr schwer quantifizierbar, insbesondere wenn sich sowohl Einkommen, Vorlieben und auch Technologie ändern. Eine Zu- oder Abnahme der Binnennachfrage müsste durch inländische Preis- und Mengenanpassungen abgefedert werden. Inländische Preisschwankungen müssen daher nicht immer mit den Weltpreisschwankungen übereinstimmen.
Inflationsunterschiede*
Die Grafiken der monatlichen CPI-Inflation für die USA und für die Schweiz seit 1950 und die jeweiligen prozentualen Veränderungen auf Jahresbasis weisen auf wichtige Disparitäten hin. Die Trendgraphik der schweizerischen Inflation weist auf ähnliche Interpretationschwierigkeiten hin. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich die Ungleichheiten von Land zu Land durch die Mindeststeuer nicht wesentlich ändern werden. Dies liegt vor allem an Produktions- und Konsumunterschieden und impliziten Ineffizienzen. Sinnvoll wäre, das Inflationsdiagramm genauer zu untersuchen, nicht nur zwischen den USA und der Schweiz. Auch gegenüber anderen Nationen waren die Unterschiede schon immer beträchtlich!
Bei der Betrachtung der vergangenen angeglichenen Inflationszyklen stellen wir erhebliche Unterschiede zu den jüngsten Entwicklungen fest, z.B. im Vergleich zu den späten 1970er/frühen 1980er Jahren und zu den Jahren 2008-2009. Von prognostischer Bedeutung ist, dass die Trendentwicklung der Indizes kaum auf die Veränderungen der Monatsdaten gründet! In Anbetracht der oben erwähnten Unsicherheiten hinsichtlich der erwarteten Reaktionen von Produzenten und Verbrauchern auf das globale Mindeststeuerabkommen kommen wir zu dem Schluss, dass die Aussichten zwar etwas unsicher, aber nicht katastrophal sind, wie allgemein angenommen.
Schlussfolgerungen für Investoren
Unsere Schlussfolgerungen sind als spezifische Folge der Verzerrung von Produktion und Konsum zu deuten. Eine internationale Handelsintervention wie das globale Mindeststeuerabkommen sollte kohärent beide Verzerrungen lösen. Hauptziel ist es, die Abhängigkeit von Importen von Billigproduzenten, vor allem aus China, zu reduzieren. Wir gehen davon aus, dass dies mehr Zeit beanspruchen wird, als von vielen verantwortlichen Politikern und Kommentatoren angenommen, und zwar aufgrund der Tatsache, dass die Anpassung der inländischen Produktion Zeit beanspruchen wird. Das heutige Umfeld ist deutlich komplexer als z.B. bei der Krise der Stahlimporte im Jahr 1977. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass der globale Mindeststeuerdeal möglicherweise nicht der beste Weg ist, um die Ungleichheiten zu beseitigen, da der Steuerdeal den weltweiten Wohlstand verringern könnte, indem er das Zufriedenheitsniveau des Auslands stärker senkt als den Zufriedenheitsgewinn für das Inland.
In Bezug auf die Anlagestrategie glauben wir, dass der politisch induzierte Ansatz die Periode mit Unsicherheit und Volatilität einfach verlängert. Warum, mögen Sie fragen? Nun, die vorgeschlagene Politik geht nicht auf die oben erwähnten Verzerrungen ein. Der primäre Zweck der Steuererhebung ist die Finanzierung von Staatsdefiziten, ohne die Produktion und Produktivität signifikant zu verbessern und/oder den Konsum und die Beschäftigung zeitnah zu erhöhen. Daher sehen wir weiterhin Potenzial an den Aktienmärkten im Vergleich zu festverzinslichen und Geldmarktanlagen. Bei internationaler Portfoliodiversifizierung muss eine Währungsabsicherung berücksichtigt werden.
Jede Anregung ist willkommen.
* Umwelteinflüsse wie Hitzewellen, Erschöpfung der Wasserressourcen und Brände oder Überschwemmungen und Stürme werden nicht berücksichtigt.