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Werden die Zinsen steigen?

EMR Mai 2021

Die hohen geld- und fiskalpolitischen Interventionen der USA und auch europäischer Staaten sind die Ursache steigender Inflations- und Zinserwartungen. Sie trüben die Aussichten für den langersehnten wirtschaftlichen Neuaufschwung. Die Corona-Pandemie verunsichert zudem die Marktteilnehmer und auch den Staat. Viele Analysten sind deshalb der Ansicht, dass sowohl die Inflation als auch die Zinsen ansteigen werden und dass dies wiederum die Börsenaussichten trübt. Im Gegensatz dazu erwarten wir keine namhafte Zunahme der Inflation und der Zinsen. Es besteht deshalb weiterhin Potenzial an den Börsen. Wieso, das  begründen wir in dieser Ausgabe des EMR.

Was steckt dahinter?

Fiskalpolitische Massnahmen sollen der Wirtschaft Liquidität zuführen und durch Ankurbelung des Konsums die Wirtschaft wieder auf den Wachstumskurs zurückführen. Einerseits geht man davon aus, dass der Produktionssektor von Lockerungen der Fiskalpolitik stark profitiert. Andererseits hemmen angekündigte Steuererhöhung die lokale Investitionstätigkeit. Wir analysieren die Erwartungen und möglichen oder befürchteten Schocks.

Allgemein geht man davon aus, dass die Wirtschaft stark auf geld- und fiskalpolitische Maßnahmen reagiert. In unserem Fall ist aber davon auszugehen, dass die Auswirkungen der staatlichen Massnahmen bei Konsumenten und Produzenten eher für Unruhe sorgen werden. Ein Wachstumsbeitrag des Konsums ist kaum zu erwarten, da zunächst Schulden abgebaut werden müssen. Darüber hinaus erwarten wir, dass die Verbraucher zunächst auf billigere Importgüter zurückgreifen werden. Im Fall der USA würde dies das Ungleichgewicht der Handelsbilanz weiter verschlechtern. Dies hat Auswirkungen auf die heimische Produktion und das wiederum wird die politische Führung verunsichern. Die ersehnte  Beruhigung wird ausbleiben. Politische Umwälzungen können dabei noch zu größerer Unsicherheit führen und die Firmen bei höherer Besteuerung dazu veranlassen, ihre Produktion nicht im Inland, sondern im kostengünstigeren Ausland aufzustocken.

Was lernen wir aus der bisherigen Entwicklung?

Während sich der Zinstrend der 10jährigen Obligationen seinem Tiefpunkt nähert, bleibt die Zinsdifferenz bei den 3-Monatssätzen seit der Finanzkrise 2008 relativ stabil. Ist dies ein Grund, weshalb viele Analysten steigende Inflation und Zinssätze prognostizieren? Geld- und fiskalpolitische Massnahmen werden die Liquidität im Wirtschaftssystem weiter erhöhen. Man kann aber bekanntlich die Pferde zum Brunnen führen, trinken müssen sie selbst. Es genügt also nicht, nur auf die Angebotsseite zu schauen. Die Frage lautet, werden die Konsumenten und auch die Produzenten auf die Liquiditätserhöhung reagieren? Wir bezweifeln, dass die Konsumenten ihre Ausgaben erhöhen, ohne auf die Preise zu achten. Wir gehen davon aus, dass die Konsumenten preisbewusst bleiben und billigere Importgüter kaufen werden. Damit bliebe noch die Unternehmerschaft als potenzieller Inflationstreiber. Hier muss jedoch mit einer schwer bestimmbaren Verzögerung gerechnet werden.

Der Vergleich der Entwicklung der Konsumentenpreise der Schweiz und der USA zeigt, dass es schwierig ist, die künftigen Inflationsentwicklung daraus abzuleiten. Markant ist der Unterschied der Entwicklung der Konsumentenpreisindizes und der Inflationsrate. Markant ist, dass die Inflationsrate tendenziell seit den 1990er Jahren abnimmt!

Die Inflationsrate in der Schweiz ist seit November 1919 leicht negativ (durchschnittlich -0,57%) während sie in den USA positiv geblieben ist (durchschnittlich 1,49%) und im letzten März 2,64% betrug. Man könnte sich zum jetzigen Zeitpunkt durchaus vorstellen, dass sich die US-Inflationsrate analog 2007-2008 weiter erhöht und auf über 5% steigen könnte. Eine derartige Steigerung würde allerdings die Wirtschaftsentwicklung stark negativ beeinflussen. Das kann man aber bei der zurzeit extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik nicht annehmen. In einer solchen Situation wäre vermutlich mit einer dramatischen Währungsanpassung zu rechnen, was nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch anlagepolitisch starke Reaktionen nach sich ziehen würde.

Was bedeutet dies für Anleger?

In unserem Kontext ist auch die enorme Steigerung der Staatsverschulden zu erwähnen. In Europa wie in den USA steigt die Schuldenquote kontinuierlich an. In den USA ist sie von 63% Ende 2007 auf 105% Ende 2019 gestiegen, um schliesslich, bedingt vor allem durch Corona-Massnahmen, auf 131% Ende 2020 hochzuschnellen. Uns ist keine ähnliche Periode bekannt. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Massnahmen erst über eine längere Zeitperiode richtig zum Zug kommen werden. Wir setzten unser Augenmerk auf die Veränderung der internationalen Handelsströme. Die USA werden zusehends nicht mehr die Rolle des Käufers “of last resort” spielen. Somit sollte das Wachstum der Inlandsnachfrage für die Finanzmärkte an Bedeutung gewinnen.

Aus genannten Überlegungen erwarten wir, dass die Inflation nicht wirklich anziehen wird und die Finanzmärkte keine grossen Veränderung unterworfen werden. Damit sehen wir im Vergleich zu festverzinslichen und Geldmarktanlagen weiterhin Potenzial an den Aktienbörsen.

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